Wachstafeln rau und organisch – zum Fühlen in kühlen Zeiten
In den 90 er Jahren schuf Renata Bonnet die ersten Wachstafeln, für die sie eigens ein Verfahren entwickelte, Bienenwachs auf Plexiglas zu gießen.
Die entstehenden Formen, so als sähe man in einen knorrigen Baumstamm Formen hinein, werden graviert und mit reinen Pflanzenfarben gefärbt. Sie nannte sie „Netzverbindungen“.

Muster, die von Geborgenheit, Eifersucht und Sexualität sprechen. Gefühle, die uns seit eh und je bewegen.
Das Netz in seiner systematisierten Form, wesentliches Element auf den „Netzverbindungen“, stammt, wie auch andere Symbole aus der Jungsteinzeit. Man findet sie im Mittelmeerraum als Felszeichnungen, auf Keramik und vor allem in der Webkunst marokkanischer Berberinnen.
Denn nur in Marokko konnten sie sich aus politischen und religiösen Gründen bis heute unbeeinflusst erhalten. So stehen sie, wie ein Blick in die Menschheitsgeschichte, neben den internationalen Netzverbindungen, die heute unser Leben bestimmen.
Ein Kulturgut, das gerade uns als Europäer zu den ureigensten Wurzeln zurückführt.
So steht ein Balken, der das Dach stützt, als Garant für das häusliche Glück, den Urinstrahl des Kamels oder auch den Horizont. Ein W symbolisiert einen Frosch, der die Geliebte des Mannes beseitigen soll, ein umgekehrtes V mit Haken die sexuelle Konnotation des Rauf und Runter. Aber letztendlich erfährt jede Bedeutung erst ihre Vollendung im Betrachter. Denn auch wir können nur einen kleinen Teil dieser geheimen Ikonographie entschlüsseln.
„Netzverbindungen“ gibt es bisher in:
- Paris, Montpellier
- Berlin, Köln, Düsseldorf, Emmerich
- New York
- St. Petersburg (Florida)
- Solo (Indonesien)
- Byron Bay (Australien)
- Tanger (Nordafrika)
Text – Bild – Wachstafeln
Renata Bonnet geht es um die Integration von Erkenntnisformen: das Denken in Bildern und das Denken in Worten. Das beim Erkalten entstandene Relief des gegossenen Wachses geht über in die Bedeutungsmetamorphosen der Texte. Die Unmittelbarkeit gelebter Augenblicke findet in einem Medium Fixierung, das sie zugleich in Bewegung hält. Das Verbindende in den Arbeiten von Renata Bonnet ist die Präsenz von Zeitlichkeit.
Prof. Dirk Blothner